Weiterer Meilenstein in der Entwicklung der SKF

Autor: Erik Golowin Zurzeit arbeitet ein Projektteam des SKF, unter der Leitung von Thomas Hertig, Ausbildungsverantwortlicher J+S Karate, an der Umsetzung des Ausbildungskonzepts des BASPO. Die künftigen Ausbildungsinhalte konnten erfolgreich entwickelt werden.

Das Kernlehrmittel von J+S mit dem sportpädagogischen Handlungsmodell von Arturo Hotz wird ab 2025 nicht mehr im Unterricht eingesetzt. Das BASPO hat ein komplett neues Ausbildungskonzept entwickelt. Aktuell wird es in einer vorgegebenen Reihenfolge in sämtlichen Sportverbänden sportartspezifisch umgesetzt. Das Projektteam der SKF hat die Inhalte erarbeitet. Das Vernehmlassungsverfahren im BASPO ist abgeschlossen. Die Produktionsphase des neuen Manuals läuft nun auf Hochtouren.

(Bildlegende Entwicklungsdimensionen)
Die Darstellung weist Strukturanalogien mit dem sportmotorischen Leistungskonzept auf. Die pädagogischen Inhalte (Werte, Ziele, Kommunikation) sind künftig Teil der Entwicklungsdimension Kooperation. Praktische Anleitungen werden in den Handlungsbereichen «Vermitteln» und «Fördern» aufgezeigt.

Herausfordernde Aufgabe

Die Übertragung von einem System ins andere ist sehr anspruchsvoll. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die J+S Expertinnen und Experten viel Entwicklungsarbeit anhand der Inhalte des Kernlehrmittels geleistet. Das künftige J+S Manual Karate wird so gestaltet, dass das neue System umgesetzt wird, aber die erarbeiteten methodischen Inhalte – vor allem die Philosophie dahinter – bewahrt werden. Dank der engen Zusammenarbeit mit dem Sportwissenschaftler und -philosophen Arturo Hotz in den 90er Jahren, war es der SKF gelungen, die Werte des Karate als sportpädagogisches Ausbildungssystem zu realisieren. Sowohl die Aspekte der Bewegungslehre wie auch der Persönlichkeitsentwicklung konnten ohne Qualitätsverlust in unseren Kulturraum transferiert werden.

Das Wichtigste in Kürze

Absolut neu ist der Begriff «Erscheinungsformen». Im Zusammenhang mit der Trainings- und Bewegungslehre stellt sich die Frage, was darunter zu verstehen ist. Im Ausbildungskonzept werden Erscheinungsformen als beobachtbare und erlernbare Bewegungs-, Verhaltens- oder Spielmuster in konkreten sportlichen Situationen definiert. Sie dienen den Teilnehmenden als Orientierungsmarke und als Lernziel, um sich in ihrer Sportart zu verbessern. Sie beschreiben also eine konkrete Handlungsqualität der Sportart. Basierend auf FTEM Karate und den Graduierungssystemen der Stile wurden die Ausbildungsinhalte für die einzelnen Schlüsselbereiche und Phasen der Entwicklung formuliert. Im Fokus stehen dabei die idealtypischen Bewegungs-, Verhaltens- und Kampfmuster des Karate. Die Trainingsformen Kihon, Kata und Kumite dienen dazu, diese Erscheinungsformen auszubilden. Die Erscheinungs- und Trainingsformen wiederum basieren auf den so genannten Entwicklungsdimensionen. Diese lassen sich den Bereichen Athletik, Technik, Taktik, Kooperation und Psyche zuordnen.

Erscheinungsformen des Karate

(Bildlegende Erscheinungsformen)
Die Darstellung veranschaulicht fünf karatespezifische Erscheinungsformen. In den J+S Aus- und Weiterbildungen dienen sie den Teilnehmenden als Orientierungsmarke, um sich in im Karate zu verbessern.

Erscheinungsformen sind Bewegungs-, Verhaltens- und/oder Wettkampfmuster, die sich in konkreten Trainings- oder Wettkampfsituationen beobachten lassen. Sie orientieren sich am idealtypischen Lösungsweg einer sportlichen Aufgabe. Im Karate bedeutet «Aufgaben lösen» nicht nur das Bewältigen einer Situation, sondern seinen Bewegungshandlungen auch Sinn, Form und eine ästhetische Ausdrucksform zu verleihen.
Fürs Karate wurden fünf Erscheinungsformen festgelegt. Sie gelten für sämtliche Entwicklungsphasen von FTEM. Ihre Ausprägung ist entwicklungs- und leistungsabhängig. Den Unterschied der verschiedenen Phasen erkennt man einerseits an der Handlungsqualität der Erscheinungsformen (stabil, explosiv, flink, harmonisch, virtuos, usw.) und andererseits am zunehmenden Schwierigkeitsgrad der Trainingsinhalte. Sie beschreiben Aktivitäten, die sowohl für die Disziplin Kata als auch die Disziplin Kumite gelten. Kaum einer anderen Sportart ist es gelungen, das Wesentliche ihrer Tätigkeiten auf so wenige Kernaktivitäten zu reduzieren. Dieses konzeptionelle Ergebnis wurde von den zuständigen Fachpersonen des BASPO anerkennend festgestellt. Es handelt sich um folgende fünf Aktivitäten:

Raum nutzen – Ausweichen und Annähern
Erscheinungsform:
Flink und stabil die Distanz zur Gegnerin oder zum Gegner vorteilhaft verändern

Kampf führen – Verteidigen und Angreifen
Erscheinungsform:
Explosiv angreifen oder kontern, um den Körper des Gegenübers kontrolliert zu treffen

Rhythmus gestalten – Anpassen und Bestimmen
Erscheinungsform:
Rhythmische Akzente gezielt und wirkungsvoll realisieren

Harmonie finden – Ruhig sein und Bewegen
Erscheinungsform:
Innere Balance und dynamisches Bewegen optimal in Einklang bringen

Haltung entwickeln – Einfühlen und Entscheiden
Erscheinungsform:
Achtsam die Verfassung seines Körpers, seiner Gefühle und seiner Umwelt erfahren

Trainingsformen – Methodik des Karate

(Bildlegende Trainingsformen)
Zusammen mit den Erscheinungsformen bilden die Trainingsformen die sportartspezifischen Eigenheiten des Karate.

Trainingsformen sind zielführende Aufgaben, Übungen und spielerische Wettkampfformen, die Teilnehmende in ihrem Lern- und Entwicklungsprozess unterstützen. Lernen heisst, Möglichkeiten schaffen, um künftigen Aufgaben gewachsen zu sein. Um eine umfassende Grundausbildung zu ermöglichen, können sowohl allgemeine, sportartübergreifende Trainingsformen, wie auch sportartspezifische Trainingsformen eingesetzt werden. Die karatespezifischen Trainingsformen sind traditionsgemäss folgende:

– Kihon – Technische Strukturen schaffen

Der japanische Begriff «Kihon» (Grundschule) steht für «Basis», «Fundament» und kann sinngemäss mit «Ursprung der Kraft» übersetzt werden. Er bezeichnet eine Trainingsform, die sämtliche Grundtechniken und deren Kombinationsmöglichkeiten beinhaltet.

– Kata – Qualitäten des Stils entwickeln

Die Kata ist das Herzstück eines Stils. Sie stellt einen Kampf gegen imaginäre Gegner dar. Sämtliche Abwehr- und Angriffstechniken sind vorgegeben. Obwohl Karate eine Zweikampfsportart ist, wird die Vorführung einer Kata (Form) zu den technisch-kompositorischen Wettkampfdisziplinen gezählt.

– Kumite – kreatives Handeln fördern

Kumite bedeutet Kampf (Kumi: Begegnung, Te: Hand). Übersetzt heisst der Begriff so viel wie «Begegnung der Hände». Als Trainingsform bezeichnet es das Üben mit einem Partner oder einer Partnerin.

Grundlegende Entwicklungsfaktoren

Den Erscheinungsformen liegen 16 grundlegende Entwicklungsfaktoren zugrunde. Sie sind aufgeteilt in fünf Entwicklungsdimensionen. Diese lassen sich den Bereichen Athletik, Technik, Taktik, Kooperation und Psyche zuordnen. Der Einfluss der jeweiligen Entwicklungsfaktoren hängt von der betreffenden Erscheinungsform ab. Die Gewichtung der einzelnen Entwicklungsfaktoren variiert dabei stark. Die Liste der 16 Entwicklungsfaktoren ist nicht abschliessend. Sie nimmt eine Eingrenzung vor, die ermöglicht, die Technik wirkungsvoll weiterzuentwickeln.

Ausbildungssystem im Wandel

Im Bereich Leistungssport sind ebenfalls Projektgruppen gebildet worden. Sie erarbeiten Nachwuchskonzepte für Kata und Kumite. Diese Konzepte werden auf den Athletenweg von FTEM Karate abgestimmt. Ziel ist es, dass sich die Trainings in den Stützpunkten und die Weiterbildungsangebote von J+S (WB1, WB2) an gemeinsamen Richtlinien orientieren. Auf diese Weise sollen künftig der Breitensport und der Leistungssport inhaltlich besser vernetzt werden. So kann wechselseitig ein Mehrwert in beiden Bereichen des Verbandes entstehen, der die Kooperation sektionsübergreifend fördert. Ab 2025 wird die grösste Herausforderung für das Departement Ausbildung sein, die neuen Konzepte, Strukturen und inhaltlichen Schwerpunkte (Ethik, Kommunikation, Leadership) flächendeckend zu vermitteln. Sämtliche Ausbildende auf den verschiedenen Stufen sollen Zugang zu diesen Theorieansätzen und den damit verbundenen Umsetzungen in die Praxis erhalten.

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