Autor: Roland Zolliker. Yuki Ujihara: „Aufgeregt stehe ich zusammen mit 43 Athleten und Athletinnen auf dem AV-Platz neben der Eidgenössischen Hochschule für Sport. Unter den Anwesenden erkenne ich auch einen ehemaligen Klassenkameraden, wodurch meine Anspannung – allerdings nur für einen kurzen Moment – abnimmt. Nachdem mir der Wachtmeister das Namensschild und die Zimmerkarte übergeben hat, gehe ich in die Aula und setze mich etwas zögerlich auf einen Stuhl in der zweithintersten Reihe.

„Liebe Rekruten und Rekrutinnen”, beginnt der Kommandant des Kompetenzzentrum Sport der Armee, “Herzlich willkommen in Magglingen (Foto), in der Spitzensport-Rekrutenschule der Schweizer Armee”. Ab diesem Moment wird mir erst richtig bewusst: Ich gehöre zu den besten Sportler und Sportlerinnen in diesem Land und trage ab jetzt eine grosse Verantwortung, der Armee, dem Sport und auch mir gegenüber.

Dieses Gefühl erfüllt mich jedoch auch mit Stolz, denn nicht jedem wird diese Möglichkeit gegeben, während des Militärdienstes auf hohem Niveau Leistungssport treiben zu können. Diesen Platz musste ich mir erst hart erarbeiten und ich schätze diese einmalige Chance deshalb sehr.

In den ersten 7 Tagen, also bis vor meiner Abreise an die WM in Dubai, absolvierte ich die Allgemeine Grundausbildung des Militärs, wobei mir der praktische Teil gut gefallen hat. Die Zeit, die ich mit unserem Zugführer und den Wachtmeistern verbringen durfte, war ein einzigartiges Erlebnis. Nach meiner erfolgreichen WM-Teilnahme ging es nach meiner Ankunft in Zürich direkt wieder nach Magglingen, wo ich mit der Militärsportleiter-Ausbildung begonnen habe. In der Woche 7 kam dann mein persönliches Highlight: die Kommunikation- und Medienschulung. Hier habe ich nicht nur neue theoretische Grundlagen erworben, sondern mir auch praktische Techniken und Methoden aneignen können, welche auch mein Selbstvertrauen stark unterstützen. Mit echten Kameras, Mikrofone, Videoanalysen und Rollenspielen erarbeiten wir diverse Kompetenzen im Bereich Sponsorenanfragen/ -gespräche oder Interviews und übten so das optimale Auftreten als Spitzensportler in der Öffentlichkeit.

Mein Tag in Magglingen beginnt um 5:30 mit einem Konditionstraining und einer wunderbaren Aussicht auf das dämmernde Bieler Seeland, dann Frühstück zwischen 7:00 – 7:30 und falls keine Weiterbildung geplant ist, beginne ich danach gleich mit meinem Training. Insgesamt trainiere ich 5-6 Stunden täglich, am Morgen meistens in Magglingen und am Nachmittag im Dojo Zen-Shin Biel. Das Trainings umfasst auch Krafttraining, wo ich dank der professionellen Betreuung durch den Athletik-Trainer Jan Seiler und der ausgezeichneten Infrastruktur in Magglingen unter optimalen Bedingungen trainieren kann. In diesem Bereich konnte ich meine Leistungen bereits steigern.

Durch die Erfahrungen, welche ich als Rekrut der Spitzensport-RS der Schweizer Armee sammeln werde, kann ich meinen Horizont erweitern, sowohl als Person und auch als Sportler wachsen und mich weiterentwickeln. Ich werde meine restliche Zeit in Magglingen so gut als möglich nutzen und auch geniessen“!

Spitzensport in der Armee
1998 bewarb sich die Schweiz zum Austragen der olympischen Winterspiele 2006 in Sion. Um dort erfolgreich zu sein, schuf der damalige Sportminister, Bundesrat Adolf Ogi, den Athleten ähnliche Bedingungen fürs Training, wie sie die ausländischen Konkurrenten hatten. Mit der allgemeinen Wehrpflicht eines jeden Schweizer Bürgers konnte er den Spitzensport und den Militärdienst optimal kombinieren. Dies war 1998 die Geburt der heutigen Spitzensport-Rekrutenschule.

Für den ersten RS-Spitzensportler-Lehrgang (Magglingen) qualifizierten sich die Kadermitglieder Dr. Frédéric Favre (seit 2017 FDP. Staatsrat im Wallis), Marcel Küng, Thomas Sigrist. Für den 2. Spitzensportler-Lehrgang 1999 Saman Chheu und Alassane N’Diaye.

2006 absolvierte erstmals eine Frau, die Triathletin Andrea Stämpfli, die Elite-Sportförderung der Armee.

2021 erhielt die Förderung des Leistungssports durch die Armee eine neue Division. 17 Jahre nach der Etablierung dieser Spezialform der Rekrutenschule sind erstmals ein Athlet im Rollstuhl und eine Athletin mit Beinprothese dabei. Stabsadjutant Urs Walther, seit 2018 Chef Fachbereich Spitzensport, ist überzeugt, dass durch die Erhöhung der Plätze diese Integration möglich wurde und auch Sinn macht.

Das Konzept der Spitzensportförderung zielt darauf hin, den Spitzensport optimal mit der gesamten militärischen Dienstpflicht zu kombinieren.

Bis 2023 wird die Kapazität der Spitzensport RS schrittweise von heute 35 auf 70 Rekrut:innen pro RS erhöht. Die erste Erhöhung erfolgte 2020 mit 50 Rekrut:innen pro RS. Kommandant des Kompetenzzentrum Sport der Armee / Spitzensport RS 79 Oberst i Gst Marco Mudry. Die Förderung der Armee fügt sich in das Gesamtkonzept der Spitzensportförderung des Bundes ein.

Die Armee unterstützt ausschliesslich SKF-Spitzenathlet:innen mit einer langfristigen Karriereplanung und Potenzial für internationale Erfolge mittels den Fördergefässen:

Spitzensport Rekrutenschule 79
Die Spitzensport RS dauert 18 Wochen und findet in Magglingen statt. In dieser Zeitspanne absolvieren die Rekrut:innen nach einem modularen Ausbildungssystem die allgemeine Grundausbildung. Weiter folgt eine zweiwöchige Ausbildung zum/r Militärsportleiter/in. In der Funktionsgrundausbildung liegt der Hauptfokus auf der Leistungssteigerung. Die individuelle Entwicklung wird mit Ausbildungsblöcken wie Medienschulung, Mentaltraining sowie Inputs zu Doping, Ernährung und Regeneration zielgerichtet unterstützt. Für die gesamte Ausbildungszeit in Magglingen stehen den Athlet:innen nebst der persönlichen Betreuung durch das Kompetenzzentrum Sport der Armee auch die Infrastrukturen des BASPO zur Verfügung.

Spitzensport Wiederholungskurs
Die Wiederholungskurse (WK) sollen nach dem Absolvieren der Spitzensport-RS für die spezifische Vorbereitung auf internationale Wettkämpfe (Welt- und Europameisterschaften) genutzt werden. Die Planung dieser WK erfolgt in Zusammenarbeit zwischen der SKF und dem Kompetenzzentrum Sport der Armee und ist ein Bestandteil der zielorientierten Vierjahresplanung. Die Wiederholungskurse richten sich nach der individuellen Trainingsplanung und können auch in mehrere Blöcke pro Jahr aufgeteilt werden. Den Athlet:innen stehen neben den 30 jährlichen Dienstagen weitere 100 Tage zur Verfügung. Durch diese 130 Diensttage pro Jahr (geht auf einen Entscheid von Bundesrat Ueli Maurer zurück) können sich die Athlet:innen auf ihre Topleistungen konzentrieren und somit den Weg zur nächsten Olympischen Medaille ebnen.

Qualifizierter Athlet:in
Mit dem Gefäss der «Qualifizierte Athleten» steht Mitgliedern der SKF-Nationalkader die Möglichkeit offen, ihr Leistungsniveau während der Rekrutenschule aufrecht zu erhalten. Diese Förderung geschieht auf bilateralen Regelungen. Die Anmeldung als Qualifizierter Athlet läuft über das Kompetenzzentrum Sport der Armee.

Trainiere im #teamarmee
Die Schweizer Armee entwickelte eine App, die Stellungspflichtige schon vor dem Rekrutierungstag abholt und sie bei der Vorbereitung auf die Aushebung unterstützt. Dank eines individuell und auf die militärische Wunschfunktion zugeschnittenen Fitnessprogramms, entwickelt in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Eidg. Hochschule für Sport in Magglingen (EHSM), können angehende Rekruten gezielt darauf hin trainieren, den späteren physischen und psychischen Anforderungen in der Grundausbildung gewachsen zu sein.

Die auch zivil nutzbare App steht über die einschlägigen Stores zum kostenlosen Download bereit. Warum noch warten? – Get ready #teamarmee!

SKF-Förderung ab 2008
Am 30. Juni 2008 rückten Roman Seiler und Shqiprim Salihu in diese militärisch-sportliche Eliteausbildung ein. Die Aufnahme erfolgte aufgrund der Heim-Elite-Europameisterschaften 2011 in Kloten-Zürich. Betreut wurden sie vom Ressortleiter Sport und Militär, Dr. Thomas Zehnder, Nationaltrainer Franco Pisino und Rudi Seiler.

2018 wurden mit Ramona Brüderlin und Elena Quirici zwei weitere Top-Athletinnen (Betreuung: Nationaltrainer Franco Pisino) aufgenommen. Insgesamt bewarben sich in den Jahren 2008 bis heute 16 Athlet:innen. Schlussendlich erfüllten drei Athleten und zwei Athleten die Qualifikationsbedingungen.

Yuki Ujihara
Zielstrebig reichte Ujihara bereits am 25. April 2017 seine Bewerbung ein. «Ich habe als jüngster Teilnehmer in meiner Kategorie und bei meiner ersten EM-Teilnahme eine Silbermedaille gewonnen, was beweist, dass ich über ein grosses Potenzial verfüge, welches noch lange nicht ausgeschöpft ist. Ich bin sehr diszipliniert und ehrgeizig und deshalb auch bereit, die Extra-Meile für meine Träume zu gehen».

Im Februar 2021 war der Selektionsprozess, in Zusammenarbeit mit der SKF und Swiss Olympic abgeschlossen. Am 26. Februar 2021 erfolgte die offizielle Aufnahme in die Spitzensport RS 2/2021. Gestartet wurde am 1. November 2021, 09.30 Uhr, Magglingen. Die Entlassung erfolgt am 18. März 2022. Betreut wird Ujihara von Nationaltrainerin Michelle Saner.

Mit seinem 2. Rang am K1 Premier League Lissabon (April 2021), den beiden EM-Medaillen 2021 (Elite Porec, U21 Tampere), der gleichzeitig abgelegten gymnasialen Maturität, und zuletzt dem 5. Rang an den Elite-Weltmeisterschaften bewies Ujihara, dass seine Aussage 2017 eingetroffen ist. Zur Zeit ist er im World Ranking auf Rang 11 klassiert.

Am 21. Februar 2022 startet Ujihara mit seinem Studium der Japanologie (Major) und Kommunikationswissenschaften und Medienforschung (Minor) an der Universität Zürich. Leistungssport betreiben und studieren ist anspruchsvoll, erfordert eine hohe Disziplin, nachhaltige Lernstrategien und insbesondere effizientes Arbeiten. Der duale Weg erfordert ein strukturiertes Vorgehen. Erfolgreich ist, wer mit ausserordentlichem Druck erfolgreich umgehen kann.

Dario Cologna, ehemaliger Zeitmilitär-Spitzensport, 4-facher Olympiasieger Ski-Langlauf (2010/Vancouver, 2014/Sochi, 2018/Pyeongchang): «Disziplin ist Disziplin und der Begriff an sich ist für mich ohne zeitliche Wertung. Heute sprechen viele über Motivation, Willensstärke und Durchhaltevermögen und so weiter aber im Kern bleibt es für immer ganz einfach: Tu einfach was getan werden muss, jeden Tag. Wenn du schwierige Tage hast, erinnere dich an deine Ziele und mach weiter».

SKF Karatekas Spitzensport RS


Ramona Brüderlin (1. Reihe, 7.v.l., und Elena Quirici, (8. v.l.)


Shqiprim Salihu (1. Reihe, 1.v.l.), Dr. med. Roman Seiler (1. Reihe, 2.v.l.)

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