Träume werden irgendwann geboren. Ich kann jedem raten gross genug zu träumen, denn die Träume kommen irgendwann auf den Boden und dann sind sie oft nicht mehr ganz so gross. Die Karriere beginnt vor allem am nationalen Talentsichtungstag. Da werden die ersten Träume von vielen Experten gemessen und verpunktet. Die Punkte am Talentsichtungstag und die Turnierleistungen während eines ganzen Jahres fliessen in die PISTE ein. Dadurch ergibt sich eine Rangliste. Anhand dieser Rangliste werden die verschiedenen Talentsichtungskarten durch Swiss Olympic vergeben. Die Talentkarten können Türen öffnen. Träumen soll jeder in der Nacht und dann am Tag an seinen Träumen sehr hart, mutig und entschlossen arbeiten. Ohne die finale Entschlossenheit wird nur geträumt und der lange harte Weg einer Sportkarriere gar nicht richtig in Angriff genommen. Das Ziel muss ein Europameistertitel, ein Weltmeistertitel in der Elitekategorie oder gar eine Olympiamedaille sein. Wie gesagt: Träume gehören in die Nacht und sind noch nicht Realität, deshalb müssen sie verantwortungsvoll und sorgfältig behandelt werden.
Ich weiss gar nicht wie viele Sichtungstage ich schon organisiert habe. Begonnen habe ich mit der Arbeit als J&S SKF Nachwuchscoach 2007 und im Laufe der Zeit haben sich die Arbeiten und Anforderungen durch das BASPO und später durch Swiss Olympic verändert. In dieser Zeit konnte ich im OK von zwei Europameisterschaften (2011 Elite und 2015 Nachwuchs) mein Können und meine Passion fürs Karate einsetzen. Meine Arbeit und Motivation als Funktionär war geprägt durch die Träume der Menschen. In den Biografien der Sportlerinnen und Sportler wollte ich ein kleines Mosaiksteinchen zum Erfolg sein. Am Talentsichtungstag und an den Turnieren sah ich oft eine unglaubliche Tüchtigkeit in den Gesichtern. Manchmal hatte ich fast Angst, dass sie unter dem Leistungswillen die Freude am Sport gar nicht spüren. Auf jeden Fall freue mich über jeden Traum der auf den Boden kommt.
Am Talentsichtungstag werden gegen 280 Sportlerinnen und Sportler getestet. Dies benötigt zwei Mal im Jahr 10 Stützpunkttrainer um den sportartspezifischen Test durchzuführen, sowie 30-35 Helfer für die anderen Leistungstest. Besonders personalintensiv ist jeweils der Rumpfkrafttest und der Pendellauf. Die Verpunktung wird von einem Frauenteam erledigt, das seit Jahren eingespielt ist und auch in der grössten Hektik freundlich und kompetent bleibt. Meine Frauen sind ganz besonders cool und mir sehr lieb und wichtig geworden über all die Jahre. Ich konnte ihnen vertrauen, dass sie die Arbeit exakt liefern. Neben den ganzen Arbeitsstunden aller Helfer, pro Talent fast 3 Stunden/Jahr, zwei Testungen inklusive Vorbereitung und Auswertung, wird unglaublich viel Kaffee getrunken und sehr gerne und viel gegessen.
Die Strukturen in der Nachwuchsförderung verändern sich und meine Arbeit ist zu einem Ende gekommen. Mit Erleichterung gebe ich die Arbeit ab an einen Nachfolger und mit einem weinenden Auge verabschiede ich mich von einer tollen Arbeit und vielen lieben Menschen. Ich habe diese Arbeit mit den Träumen gerne gemacht. Meine Tochter hat die moderne Nachwuchsförderung seit Einführung der PISTE von Anfang an durchlaufen. Heute steht sie als WKF Weltnummer 1 und mehreren Europameistertiteln da sowie als beste SKF Athletin aller Zeiten. Mit grossen Träumen, viel Arbeit, grossem Fleiss und einer riesigen Entschlossenheit ist es also möglich die Träume Realität werden zu lassen.
Wir müssen nicht immer mit den Strukturen des Verbandes einverstanden sein, aber wir können sehr froh sein, haben wir Köpfe die diese Strukturen geschaffen haben und diese umsetzen.
1976 begann ich mit Karate. Mein Lehrer war noch Braungurt, denn damals gab es noch fast keine Danträger in der Schweiz. Unser Dojo war wahlweise seine Garage und nach Ladenschluss die Gänge der elterlichen Gärtnerei eines anderen Klubmitglieds (Sandokan Küsnacht) oder auch mal einfach das Wohnzimmer. Seither hat sich Karate ständig verändert. Heute trainieren wir in schönen, geheizten, toll ausgerüsteten Dojos und mit einem starken Verband im Rücken. Karate Do, wir sind auf dem Weg und wissen nicht wann wir das Ziel erreichen, aber wir bleiben einfach in Bewegung und verbessern uns. Ich bin dankbar vielen Kindern und Jugendlichen ein Helfer gewesen zu sein auch wenn sie dies nicht realisiert haben.
Brigitte Quirici